Das Thüringer Bündnis für Qualität in der Kindertagesbetreuung sieht 3 Schwerpunkte, die zur Verbesserung der Bedingungen mit dem Ziel der Qualitätsentwicklung in den Kitas beitragen und in das Thüringer Gesetz über die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege aufgenommen werden sollen.
- Schwerpunkt: Die Aufnahme einer institutionell geförderten kontinuierlichen wissenschaftlichen Begleitung und eines wissenschaftlichen Monitorings der Entwicklung des frühpädagogischen Feldes, welche unabhängig und qualifiziert arbeitet.
Damit wird sichergestellt, dass die qualitative Weiterentwicklung des Systems der Frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung (FBBE) gegenwärtig und zukünftig als gesellschaftlich notwendige Aufgabe verstanden wird und entsprechende Maßnahmen von der fachpolitischen Ebene initiiert werden. Eine auskömmliche finanzielle Ausstattung für Personal- und Sachkosten ist dabei notwendig.
Qualitätsentwicklung verstehen wir als einen dauerhaften, kontinuierlich zu gestaltenden Prozess. Dafür ist eine wirkungsorientierte Steuerung nötig. Um eine thüringenweite Entwicklung anzuschieben, braucht es einen lebendigen Qualitätsdiskurs. Es gilt dabei, die gemeinsamen, genauso wie die unterschiedlichen Bedarfe herauszuarbeiten und Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung einzuleiten, durchzuführen und zu evaluieren.
Einem Institut kann hierbei z.B. eine wesentliche Steuerungsfunktion zukommen, welche den Transfer von Wissenschaft und Praxis initiiert und die Vernetzung der vielfältigen Akteur*innen aktiv unterstützt und begleitet.
Mit der Verbindung von schon erfolgreich erprobten Vorgehensweisen des Thüringer Systems mit der Implementation von Maßnahmen zur Weiterentwicklung und der systemischen Herangehensweise kann die Gesamtsituation in unseren Kindertageseinrichtungen nachhaltig verbessert werden. Die pädagogischen Fachkräfte mit ihrem Recht auf Gesundheit stehen dabei genauso im Fokus wie die Schaffung gerechter Bildungschancen für jedes Kind.
- Schwerpunkt: Die Einführung von Sozialraumbudgets
Um den heterogenen Lebenslagen und der ungleichen Verteilung von Entwicklungs- und Bildungschancen besser begegnen zu können, müssen Kindertageseinrichtungen verstärkt zu Schnittschnellen im sozialen Hilfesystem ausgebaut werden. Dafür benötigen sie multiprofessionelles Zusatzpersonal (z.B. Sozialarbeiter*innen, Sprachwissenschaftler*innen, Motopäd*innen, Sprach- und Kulturmittler*innen), das projektunabhängig und auskömmlich finanziert wird. Statt konkrete Programme zu verstetigen („Vielfalt vor Ort begegnen“, „Sprach-Kitas“), sollten die daraus entstandenen Strukturen und positiven Erfahrungen mit den spezifisch qualifizierten Fachkräften in ein langfristig angelegtes Sozialraumbudget überführt werden. Wenn dabei vielfältige, bedarfsdifferenzierte Indikatoren berücksichtigt werden, erhalten örtliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe die dafür nötige Finanzierungsgrundlage, sowohl für den städtischen als auch für den ländlichen Raum (vgl. Modell Rheinland-Pfalz § 25 Abs. 5 KiTaG). Einzelfallspezifische, übergreifende und präventive Maßnahmen im niedrigschwelligen Setting der Kindergärten und Kindertageseinrichtungen bauen Zugangsbarrieren ab und ermöglichen die soziale Teilhabe für Kinder und Familien.
- Schwerpunkt: Die Verbesserung von Strukturbedingungen
Hierfür braucht es eine längerfristige Planung, damit neben kurzfristig, unbedingt notwendigen Verbesserungen, auch die von wissenschaftlichen Expertisen empfohlenen Relationen umgesetzt werden können. Die Ausfallzeiten müssen schnellstmöglich an die Realität angepasst) werden (statistisch aktuell 30 % nur für Krankheitstage!).
Ein verbindlich festgeschriebener Rahmen für die mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten (z.B. mindestens 15% der Arbeitszeit) soll in das Gesetz aufgenommen werden. Damit kann sichergestellt werden, dass Fachkräfte tatsächlich die Möglichkeit haben, zu reflektieren, vor- und nachzubereiten, dass Supervision, Coaching und Weiterbildung stattfinden. Das Gegeneinander Ausspielen von Öffnungszeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Umsetzung des Bildungsauftrags mit einem differenzierten, individualisierten Vorgehen zur Förderung der Kinder führt zu einer großen Belastung der Fachkräfte und muss beendet werden.
Es ist wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Qualität in einer Kindertageseinrichtung maßgeblich von der Qualität der Arbeit der Leitung abhängt. Die nötigen Zeitkontingente für die umfangreichen Leitungsaufgaben müssen ausgeweitet werden. Der Anspruch muss sein, dass die Leitungspersonen ihre Aufgaben vollumfänglich bearbeiten können. Dafür ist ein Grundstock von 20 Stunden/ Woche zu Grunde zu legen. Es muss diskutiert werden, ob sich die darauf aufbauenden Leitungsstunden z.B. besser nach der Anzahl der Personen im Team und den Problemlagen der Familien berechnen soll. Die Tatsachen, dass immer mehr Teams integrativ arbeiten und somit Personal aus den Kostensätzen der Eingliederungshilfe bezahlt werden und dass die meisten pädagogischen Fachkräfte gewollt in Teilzeit arbeiten, führen zu einer Vergrößerung der Teams, was den Arbeitsaufwand der Leitungen deutlich vergrößert. Das Thema Personalführung muss mehr in den Fokus rücken.
Mit dem zu geringen Zeitkontingent für Leitungsaufgaben bleiben gerade Arbeiten, die den Transfer von Wissenschaft in die Praxis zur Weiterentwicklung der Qualität im Fokus haben, auf der Strecke. Personalführung ist eine wichtige und zeitintensive Aufgabe, die ein entsprechendes Wissen braucht. Die Aufgaben, das bestehende Personal zu pflegen und den Bedarf an neuen Fachkräften zu decken ist gerade in der derzeitigen Situation nicht zu unterschätzen.
Personen mit Leitungsaufgaben und Träger haben großen Bedarf nach einer fachlichen Begleitung und nehmen die Fachberatung nach §11 ThürKigaG in Anspruch.
Die Fachberatungspersonen sind somit gefordert und deren Zeitkontingente müssen wiederum entsprechend der dargestellten veränderten Anforderungen angepasst werden. Die Themen Fahrtzeiten und –kosten sollten dazu diskutiert werden. Auch in der Arbeit der Fachberatung zeigen sich differenzierte Bedarfe der Teams und Träger, die nicht einzig an der Kinderzahl festgemacht werden können.